Biblische Texte opfersensibel auslegen
Es bestätigt sich dabei aufs neue, daß Gott, wie ihn die Bibel zeichnet, gerade und vielleicht überhaupt nur aus der Perspektive der Unterdrückten, der Opfer von Gewalt sachgemäß erfahren werden kann.
Das sagte der Alttestamentler Frank Crüsemann.
Missbrauchsüberlebende lesen und hören biblische Texte vor dem Hintergrund ihrer Lebensgeschichte. Dabei begegnen ihnen immer wieder Texte, die ihnen tatsächlich oder vermeintlich vermitteln, dass sie defizitär Glaubende sind. Predigende können darauf achten, in biblischen Texten die spezifischen Glaubensschwierigkeiten Gewaltbetroffener im Blick zu haben. Den Opfern und Ausgegrenzten gilt ja der erste Blick Jesu. Dabei kommt dem Alten Testament besondere Aufmerksamkeit zu – es thematisiert bevorzugt die Frage der Gerechtigkeit für die Opfer.
Die Sintflutgeschichte

Diese biblische Erzählung ist ein Mythos, eine „Immer-Geschichte“, von der Bosheit von Menschen, vom vernichtenden Zorn Gottes über die Gewalt auf der Erde.
Müssen Missbrauchsopfer vergeben?

Missbrauchsüberlebenden wird immer wieder geraten, den Tätern und Täterinnen doch zu verzeihen. Versprochen wird ihnen Gesundheit und Heilung, wenn sie vergeben. Die Bibel argumentiert hingegen sehr viel differenzierter.
Ohne Sinn und ohne Zukunft?

Die Erzählung von der Bindung Isaaks gehört zu den abgründigsten biblischen Erzählungen. Abraham erhält den Befehl, seinen und Saras Sohn Isaak, ihren einzigen, zu opfern.
Kain und Abel

Diesseits von Eden, direkt im Anschluss an die Vertreibung aus dem Paradies, berichtet die Bibel in einem kargen Text von einem Brudermord. Damit thematisiert sie das bis heute bestehende Problem der Gewalt.
Die Geschichte einer Vergewaltigung

Sie könnte in einem modernen Buch über sexualisierte Gewalt im Nahbereich stehen. Die Erzählung deckt die Strukturen der Gewalt auf und unterläuft alle Vertuschungsabsichten, denn sie steht bis heute in der Bibel.
Wer klagt, hofft

„Gott, zerbrich ihnen die Zähne im Mund! HERR, zerschlage das Gebiss der Löwen! Wenn er die Vergeltung sieht, freut sich der Gerechte.“ (Ps 58). Dürfen Christ*innen so beten?