Presse
Beide Großkirchen, aber auch Freikirchen, sind mit der Erfahrung konfrontiert, dass auch durch ihre Kleriker, Pastor*innen und Mitarbeiter*innen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und Erwachsenen geschieht. Soweit die Gewalttaten presseöffentlich werden, sind sie hier dokumentiert. Bernhard F. herzlichen Dank für so viele Hinweise!
Meldungen der Woche
9.6.2023 Nach einem Jahr Gutachten des Bistums Münster kommentiert der Chefredakteur von Kirche und Leben: „Doch es sind die Mächtigsten dieser Kirche, die nicht gewillt sind, dies alles anzuerkennen und daraus Konsequenzen zu ziehen – für die Lehre der Kirche und ihre Gesetze, für ihren Umgang mit Macht. Sie desavouieren so jedes Bemühen um Aufklärung und Aufarbeitung, jede Präventionsschulung für tausende Ehrenamtliche, jedes Ringen des Gottesvolks um eine authentische, glaubwürdige Kirche. Und – das Leid der Betroffenen.“ Quelle: Kirche und Leben
8.6.2023 Die internationale Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf hat einem internen Untersuchungsbericht zufolge jahrzehntelang Vorfälle von Betrug und sexueller Gewalt gegen Kinder, teils mit folgenden Kinderschwangerschaften, in ihren Einrichtungen vertuscht. Sie verschleierte Skandale, vernichtete Beweise, schüchterte Mitarbeiter, die auf die Missstände hinwiesen, ein. Quelle: Zeit
8.6.2023 Geld, gesellschaftliche Anerkennung, ein „geniales Werk“ schützen prominente Missbrauchstäter lange. Nils Minkmar wirft einen Blick in den Kulturbereich. Katholik*innen erinnern sich an Marcial Maciel Degollado, Marco Rupnik, Winfried Pilz und andere. Quelle: Süddeutsche
8.6.2023 Gabriel Chávez, externer Kommunikationsberater der Jesuiten in Bolivien, sagt, dass die Jesuiten in Bolivien seit Mai Kenntnis von Missbrauchsvorwürfen gegen vier verstorbene Jesuiten haben: Alfonso Pedrajas Moreno, Alejandro Mestre Descals, Luis María Roma Padrosa und Jorge Vila Despujol. Die Tageszeitung La Razón berichtet von vier weiteren beschuldigten Jesuiten: Pater Antonio „Tuco“ Gausset, Pater Francisco „Pifa“ Pifarré, Pater Carlos „Vicu“ Villamil und Pater Francesco „Chesco“ Peris. Außerdem soll es gegen sechs Jesuiten Vertuschungsvorwürfe geben, unter ihnen der derzeitige Obere in Bolivien, Pater Bernardo Mercado, sowie die Patres Oswaldo Chirveches, Marco Recolons, Ignacio Suñol, Ramon Alaix und Arturo Moscoso. Unklar ist, ob Letzere zu den acht ehemaligen Provinzoberen gehören, die Anfang Mai suspendiert wurden nach ordensinternen Ermittlungen. Unklar ist auch, ob und wie Papst Franziskus mit den Fällen befasst ist. Der ehemalige Ordensmann Pedro Lima ist der wichtigste Whistleblower. Als er die Jesuiten-Oberen über Missbrauch informierte, wurde er ausgeschlossen. Lima berichtet, dass es nicht nur ein Priester gab, sondern eine Struktur von Priestern, die sich gegenseitig unterstützen, so dass Missbrauch weiterhin passieren konnte. Quellen: catholicnewsagency paginasiete.bo
8.6.2023 Der Historiker Thomas Großbölting kritisiert die Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche als „mäßig bis schlecht“. Zwar habe es vereinzelt Fortschritte gegeben, die „besonderen Ermöglichungsbedingungen“ für Missbrauch – Klerikalismus mit männerbündischen und frauenfeindlichen Strukturen, eine latente Homophobie und eine „vollkommen scheinheilige Sexualmoral“ – gehe man aber nicht an. Großbölting beobachte viel Resignation bei den Laien und die Gruppe der Priester bleibe in der Debatte nahezu sprachlos. Quelle: Kirche und Leben
7.6.2023 Film Gelobt sei Gott. Alexandre lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Lyon. Durch Zufall entdeckt er, dass der Priester, der ihn als Pfadfinder missbraucht hat, immer noch mit Kindern arbeitet. Er beginnt einen Kampf, dem sich bald weitere Opfer des Priesters anschließen … – François Ozons Film (2018) kritisiert das Schweigen der Kirche zur Pädophilie und fragt nach ihrer Mitschuld.
7.6.2023 Interview von Christoph Fleischmann mit Christiane Lange und Andreas Stahl in Publik Forum. Inela Marin (Pseudonym) berichtet von ihren Erfahrungen in der evangelischen Kirche, die im Buch Entstellter Himmel. Berichte über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche niedergelegt sind.
7.6.2023 Auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg sind über 2.000 Veranstaltungen geplant. Vier davon beschäftigen sich mit dem Thema Missbrauch in kirchlichem Kontext: eine Diskussionsrunde, ein Gottesdienst und zwei Selbsthilfe-Treffs für Betroffene. Eine Betroffene – Dörte Münch – meldete sich 27 Jahre später bei der Kirche. An der Basis habe sie noch gute Erfahrungen gemacht, je höher in der Hierarchie sie vermitteln wollte, dass ist Unrecht geschehen ist, desto eher wurde sie ignoriert. Kein Verantwortungsträger habe ihr ein Gespräch angeboten. Bislang hat di3e Evangelische Kirche nicht über die Anzahl der Täter informiert. Opfer werden nur gezählt, wenn sie Anerkennungsleistungen beantragen. Quelle: www1.wdr
7.6.2023 Im Zivilprozess eines Missbrauchsopfers vor dem Landgericht Traunstein hat der Klägeranwalt nun die Höhe des Schmerzensgeldes beziffert: Nach Unterlagen, die CORRECTIV, BR und der Zeit vorliegen, fordert er 300.000 Euro vom Erzbistum München und Freising und 50.000 Euro von den Erben des verstorbenen Papst Benedikt XVI. Quelle: correctiv
7.6.2023 Die (Erz-) Bistümer Aachen, Essen, Köln, Paderborn und Münster haben ein Forschungsteam des Instituts für Soziale Arbeit (ISA) in Münster und von SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies mit Sitz in Heidelberg und Berlin beauftragt, die Aktivitäten und Konzepte der Präventionsarbeit seit 2010 zu evaluieren. Quelle: Bistum Münster
6.6.2023 Von 1956 bis 1986 soll der Jugendwart Kurt Ströer der Moritzburger Gemeinschaft Schutzbefohlene sexuell missbraucht haben. Nach seinem Tod 2013 noch wurden in einem Nachruf der Gemeinschaft der Diakone und Diakoninnen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens seine Verbrechen nicht erwähnt, obwohl einzelne Straftaten bereits bekannt waren. Betroffene gründeten Ende März eine „Initiativgruppe Missbrauchsaufarbeitung und -prävention“. Sie beklagen, dass sie bisher kaum in den Aufarbeitungsprozess eingebunden wurden. Quelle: evangelisch.de
6.6.2023 Richard Kick, Betroffener aus Eichenau, Erzbistum München, fordert Aufarbeitung in der Gemeinde, in der er Missbrauch erlitt. Quelle: Merkur
6.6.2023 Im Fall Freistühler gab es viele Mitwisser und wenige Hinweisgeber, deren Hinweise vom Bistum nicht weiter verfolgt wurden. Quelle: kleveblog
5.6.2023 Wer als Kind oder Jugendlicher misshandelt oder sexuell missbraucht wird, hat ein höheres Risiko für eine spätere psychiatrische Erkrankung. Ursächlich hierfür ist eine erhöhte Konnektivität im Gehirn der betroffenen Menschen. Quelle: medical-tribune
5.6.2023 Klaus Mertes überlegt, wie ein Bischof, der Verbrechen vertuscht, Täter geschont und Opfer im Stich gelassen hat, verabschiedet werden kann. Sein Fazit: „Also es ist wichtig, die Gefühle derjenigen, die sich durch bischöfliches Versagen, durch Unterlassen oder Taten verletzt fühlen, im Verabschiedungsprozess zumindest rhetorisch anwesend sein zu lassen.“ Quelle: domradio
5.6.2023 Die Gemeinde St. Josef, Bocholt, macht nun öffentlich, dass der 1972 verstorbene Kaplan Ingenhaag von 1951 bis 1954 in der damaligen Pfarrei Ewaldi tätig war. 1954 wurde gegen ihn wegen Missbrauchsvorwürfen in einer früheren Arbeitsstelle ermittelt. Ingenhaag entzog sich den Ermittlungen durch Flucht in die Niederlande, nach Rom und nach Salzburg. In der Diözese Salzburg arbeitete er wieder als Pfarrer. Quelle: St. Josef Bocholt
4.6.2023 Der Künstler Gerhard Roese hat drei Skulpturen geschaffen, die an das Missbrauchsgeschehen in den Kinderheimen der Evangelischen Brüdergemeinde in Korntal und Wilhelmsdorf in den 1950er bis 1980er Jahren erinnern sollen. Zudem rezensiert Annette Zoch das Buch von Christiane Lange/Andreas Stahl/Erika Kerstner (Hrsg): Entstellter Himmel. Berichte über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche. Quelle: Süddeutsche Zeitung
2.6.2023 Das Schwurgericht von Vendée hat Pierre de Maillard, Mitglied der Priesterbruderschaft St. Pius, wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung von insgesamt 27 Minderjährigen – sechzehn Jungen und elf Mädchen zwischen zwölf und fünfzehn Jahren – zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Quelle: akalazi
2.6.2023 Bischöfin Beate Hofmann, Evangelische Kirche Kurhessen-Waldeck, spricht im Interview über Schwierigkeiten und Herausforderungen im Umgang mit sexualisierter Gewalt. 2022 war von mindestens 40 Fällen die Rede. Durch eine Untersuchung von 4000 Personalakten wurden 34 Täter, die Minderjährige missbrauchten und zehn Missbrauchsfälle Erwachsener identifiziert. Die Landeskirche hat Anhaltspunkte für 180 bis 200 Betroffene seit 1945. Die Opferzahlen haben sich also nahezu verfünffacht. Quelle: hna
2.6.2023 Vor einigen Tagen hat Papst Franziskus vor einem Mosaik des Missbrauchstäters Pater Marco Rupnik eine Video-Botschaft an den XVI. Mariologischen Kongress von Aparecida, Brasilien, gesprochen. Quelle: ilsismografo
2.6.2023 In der katholischen Kirche Spaniens haben 728 Mitglieder von 1945 bis 2022 in kirchlichen Institutionen mindestens 927 Minderjährige sexuell missbraucht. Unter den Tätern waren 378 Geistliche, 208 waren Ordensmitglieder ohne Priesterweihe und 92 Laien. Bei 50 Tätern ist der Stand unbekannt. 99 Prozent der Täter sind männlich, 82,62 Prozent der Opfer ebenfalls. Gut ein Drittel der Täter ist noch nicht gestorben, 80 Prozent der Fälle seien vor 2000 begangen worden. Quellen: wort.lu Domradio Spiegel Der Bericht „Para dar Luz“
2.6.2023 Das Erzbistum Köln sucht Menschen, die von dem Priester Leonhard M. missbraucht wurden. Der Täter war von 1983 bis 1991 im Erzbistum Köln als Subsidiar in der Pfarrei St. Josef in Kerpen-Brüggen und einer anderen Pfarrei tätig. Auch im Bistum Fulda arbeitete er 1962 als Religionslehrer, 1978 war er Subsidiar in St. Johannes der Täufer in der Gemeinde Brohl, die zum Bistum Trier gehört. Quelle: Domradio
2.6.2023 Unter dem Titel „Hilfe mit Weitblick: Einfache Zugänge im Bistum“ wird im Bistum Limburg ein Abend veranstaltet, an dem über den Kulturwandel im Bistum gesprochen wird. Die Arbeit der neuen Fachstelle gegen Gewalt wird vorgestellt. Unter dem Link https://bit.ly/45FCYEL kann die Veranstaltung online verfolgt werden. Quelle: Bistum Limburg
2.6.2023 Im Fall des Kapuzinermönchs und Kirchenmusikdirektors Norbert Weber haben sich inzwischen 18 Betroffene beim Bistum Passau gemeldet. Kritiker gehen von mehr Betroffenen aus und kritisieren, dass das Bistum zu wenig für die Opfer tue. Quelle: Süddeutsche
2.6.2023 Papst Franziskus hat das Rücktrittsgesuch des indischen Bischofs von Jalandhar, Franco Mulakkal (59) angenommen. Mulakkal war im Januar 2022 von der Vergewaltigungsanklage einer Ordensschwester mangels Beweisen freigesprochen worden. Daraufhin protestierten katholische Priester und Ordensleute und forderten in einem weltweiten Aufruf zur Suspendierung des Bischofs auf. Quellen: katholisch.de press.vatican.va
2.6.2023 „Betroffene zeigen Gesicht“ – bis zum 11. Juni gibt es in Osnabrück im Forum am Dom, direkt neben dem römisch-katholischen Dom St. Petrus, eine Ausstellung, in der Betroffene sexualisierter Gewalt in der Katholischen Kirche ihre Schicksale schildern. Quelle: NDR
1.6.2023 CORRECTIV und BR berichten, dass eine Verwandte des ehemaligen Papstes das Erbe ausschläft, weil sie sich als Erbin der Missbrauchsklage vor dem Landgericht Traunstein stellen müsste. Der Opferanwalt hat nun die Abtrennung des Verfahrens gegen Papst Benedikt XVI. beantragt. Quellen: Correctiv br
31.5.2023 Will das Bistum Trier Missbrauchsbetroffene zum Schweigen zwingen? Dieser Eindruck entstand bei manchen wegen einer missverständlichen Formulierung in einer Protokollvorlage. Jetzt ändert man den Passus – und stellt klar, dass es nie Maulkörbe gab. Bisher hat es geheißen: „Die Teilnehmer des Gesprächs sind sich darüber einig, dass sowohl der Inhalt des vorliegenden Protokolls als auch des diesem Protokoll zugrunde liegenden Gesprächs wegen der berührten Persönlichkeitsrechte streng vertraulich sind. Dieses Protokoll und sein Inhalt dürfen daher weder ganz noch in Auszügen noch sinngemäß veröffentlicht werden oder anderweitig öffentlich zugänglich gemacht werden, sofern und soweit nicht sämtliche Personen, die an dem protokollierten Gespräch teilgenommen haben, einer solchen Veröffentlichung oder öffentlichen Zugänglichmachung zustimmen.“ In der neuen Formulierung heißt es nun: „Zur Wahrung von Persönlichkeitsrechten darf dieses Protokoll weder ganz noch in Auszügen medial veröffentlicht oder anderweitig öffentlich zugänglich gemacht werden. Für die betroffene Person ergibt sich daraus kein Schweigegebot hinsichtlich ihrer Erfahrungen und Erlebnisse.“ Quelle: katholisch.de